Sospeso – eine schöne Tradition für Cafés

Immer wieder berichten Reisende begeistert aus Neapel und der Tradition von Sospeso.
In Cafés bestellen Gäste einen Kaffee für irgendeinen Gast, der sich momentan keinen Kaffee leisten kann. Sollte sich doch niemand von der Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen, der naheliegende Leitgedanke dahinter.

Ich erfuhr beispielsweise von einem Nachbarn, wie er wiederholt kaum seine Tierarztrechnung bezahlen kann, trotz Sparen an allen Ecken und Enden für Alltägliches. Rentner betrifft Altersarmut, ein Kaffee liegt da überhaupt nicht drin. Andererseits gibt es genügend Gäste für die eine Tasse Kaffee finanziell kaum ins Gewicht fällt.

Ein Video hier beschreibt, wie die Tradition «sospeso» entstand;

Auf Netflix gibt es einen Dokumentarfilm zu dem Thema «caffè sospeso», eine Gemeinschaftsproduktion Italiens und Argentiniens aus dem Jahr 2017.

In einigen österreichischen Städten dauert die Tradition vom Sospeso an. Es zählt da auf die Ehrlichkeit der Menschen zu vertrauen, und erheblich wichtig dabei ist eben den Kaffee für das Gemeinschaftsgefühl zu investieren und nicht zur Almosenabspeisung.

Heute bezahlte ich in einem Badener Café einen Sospeso. Das Personal hingegen konnte damit nichts anfangen. Die Hoffnung vieler, dass sich «der Gedanke von Sospeso» überall ausbreitet, und wir dadurch stärker «Gemeinschaft leben» stirbt zuletzt.
Ein Lied dazu als Gedanke;

Der Verein Surprise, welcher ein Strassenmagazin herausgibt, setzt die «Sospeso-Idee» mit der Kooperative «Café Surprise» in der Schweiz um. Über 100 Cafés nehmen daran teil, Angebot und Nachfrage halten sich die Waage.
Angebot von Café Surprise

Inmitten der Zürcher City besuchte ich das Café Cevi , welches am «Café Surprise» teilnimmt. Hinter der Theke die Strichliste, eigentlich eine prima Idee; denn sofern kaum Striche am Entstehen sind, animiert das Personal die Gäste, jemandem einen Café Sospeso zu spendieren. Ferner lässt es sich im Café richtig gemütlich machen, dessen Mitarbeiter engagieren sich sozial, was angenehm wahrnehmbar ist.
«Hin zum Cevi Geschäft, dann noch ein Durchgang!» Denn dort werden auch Produkte für Hilfswerke verkauft.

Cevi ist der weltweit bekannte «YMCA» von Zürich. Ich konnte meine Lieder in behaglicher Atmosphäre vortragen; eben, ein schönes Leben dort!

In Deutschland führt der Verein «TiMMi to Help» aus Leipzig eine Liste mit über 300 Cafés, welche die Idee unterstützen. Die Angebote aus der Schweiz und Österreich sind zwar unvollständig dokumentiert. Ansonsten ist die Webseite professionell und übersichtlich.
Liste von suspendet Kaffee in Deutschland

Ich führe eine Diskussion darüber, ob der Sospeso nur für Armutsbetroffene sein sollte, oder ob ein Cafébezüger selber entscheiden darüber sollte, wem er einen Kaffee spendiert. Ein Café sollte das gesellschaftliche Leben positiv anregen. Vielleicht könnte man dazu Café Gutscheine entwickeln. Schliesslich soll die Praktik des Sospesos primär jedem eine Freude bereiten dürfen, aber keinesfalls zu einem Schmarotzertum verleiten. Ein eingespieltes Schmarotzertum ist ja zuvor immer schleichend ausgereift. Jedenfalls ist es spannend, zu sehen, wie vielfältig die Grundidee zum Sospeso verwirklicht werden kann!

In Turin möchte ich einen Kaffee Sospeso. «Fehlanzeige, nirgendwo in den vielen kleinen Bars werde ich fündig.» 

Bei der Tourismusinformation erhalte ich einen Prospekt, vielleicht habe ich hier Glück. Im Prospekt sind die historischen Cafés von Turin aufgelistet, dort heisst es:

Cafés sind Ausdruck eines Lebensstils, einer Lebensart, mit einem angeborenen Sinn für Schlichtheit und Eleganz: So kostbar die Einrichtung jedes einzelnen von ihnen auch sein mag, es ist nie Übertreibung und Opulenz zu sehen, sondern immerzu eine raffinierte Harmonie von Linien und Farben. Die Geschichte Italiens wurde in den historischen Cafés geschrieben, auch die gastronomische: Bicerin, Vermouth, Rakikò, Pinguino, Nocciolini, Tramezzino – um nur einige davon zu nennen – sie wurden alle an Orten der italienischen Kultur geboren und prägen Turin und Piemont seit über 200 Jahren.

In Turin existiert «der Verband der historischen Cafés von Turin». Sie bezeichnen diesen auch als Museum. Damit ein Café als historisches Café gilt, muss es mindestens 70 Jahren bestehen, seine ursprüngliche Einrichtung größtenteils erhalten sein und eine Atmosphäre bieten, die der Geschichte des betreffenden Ortes entspricht.

Nur muss ich nun auf den Zug zurück nach Hause, und «der Kaffee Sospeso» ist wieder einmal ein Traum geblieben. Doch wie sieht es mit der Tradition des Kaffee Sospeso in Turin wohl aus? Auf Antworten bin ich gespannt.

Zuhause in Zürich finde ich den Caffe Sospeso in der Sihlpost, organisiert durch Surprise, eine Zeitung, die Menschen in Not verkaufen.

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